Van-Flick-Roadtrip nach Rumänien, dem Land der Burgen, Bären, Bergstrassen und Vampire

Rumänien hatte ich bis jetzt nicht auf dem Radar als Reisedestination. Umso spannender fand ich den Gedanken, mit dem Van durch Osteuropa zu tuckern und während gut drei Wochen das Land zu entdecken. Doch warum genau ein Roadtrip nach Rumänien?

Dafür gibt es zweierlei Gründe. Erstens habe ich mir im Frühling 2023 verschiedene Bänder im Sprunggelenk gerissen und musste daher sämtliche geplante Skate-Events bis September auf Eis legen. Da musste also ein Alternativprogramm her. Und zweitens hatte mir mein bester Freund und Mitbewohner Sorin schon mehrmals vorgeschlagen, einen Roadtrip nach Rumänien zu machen, damit ich seine Heimat kennenlernen kann – und um da zu einem Spottpreis einige Mängel an meinem Van zu beheben. Dazu weiter unten. Dank Sorins Freunden und Verwandten in verschiedenen Städten Rumäniens konnten wir immer wieder für einen Zmittag, eine Dusche, eine Wake-Board-Session oder etwas Remote Work einen Stop einlegen.

Im Nationalpark Bucegi fanden wir ein lauschiges Plätzchen für Wabun, wie der Van heisst.
Unsere Reiseroute in Rumänien: Timisoara, Cluj-Napoca (Festival), Transalpina, Targu Jiu, Transfagarasan, Brasov, Bucegi (Nationalpark), Bukarest, Craiova, Severin (Donaukessel). Rechts das Schwarze Meer, dafür hat die Zeit leider nicht gereicht.

Von Bären, Vampiren und der Sphinx

Nicht, dass es neu für mich gewesen wäre, aber diese Reise bestätigte es mir einmal mehr: Grossstädte, Museen, Burgen und andere historische Stätten kann ich getrost auslassen. Lieber dümple ich auf einem Stand Up Paddle in den Sonnenuntergang, fahre entlang der Donau, erkunde Salzminen (Salina Turda) oder Tropfsteinhöhlen oder wandere durch einen Canyon. Rumänien hat bezüglich Berglandschaften mehr als genug zu bieten. Sorin plante die Route so, dass wir mehrmals die Karpaten überquerten. Einmal auf der Transalpina, dem höchsten Pass in Rumänien, und einmal auf der Transfagarasan, einem Nationalpark, der bekannt ist für Bären, die ungerührt am Strassenrand chillen und sich fotografieren lassen. Die hochgelegenen Weiden, insbesondere im Nationalpark Bucegi mit tausenden von Schafen und Ziegen erinnerten mich an meinen Roadtrip durch Neuseeland vor einigen Jahren. Das Schloss in Bran, wo der berühmte Vampir «Dracula», gewohnt haben soll (die Sage beruht auf einem Roman des irischen Schriftstellers Stoker) und zahlreiche Schlösser und Kirchen, haben wir grossräumig umfahren. Dennoch hatten wir eine unvergessliche Begegnungen mit Vampiren: Hochagressive Kampf-Mücken haben uns nach einer intensiven Wake Board Session komplett zerstochen. Immerhin haben uns die zahlreichen streunenden Hunde in Ruhe gelassen und nur einmal aus dem Schlaf gebellt.

Typischer Anblick eines kleinen Dorfes irgendwo in der Rumänischen Pampa, hier ausnahmsweise mit eine guten Strasse. Wir trafen erstaunlich oft Störche an.
Damit alle Skateboards, Wakeboard, Pumpfoil und anderes Equipment Platz hatte, montierten wir vor der Abfahrt extra eine Dachbox. Hier eine Auslege-Ordnung am Gardasee.

Andere Länder, andere Sitten

Wie gesagt, historische Stätten sind mir grundsätzlich schnurzpiepegal und die Geschichte dahinter interessiert mich ebenfalls herzlich wenig. Mit einem waschechten Rumänen im Auto kam ich jedoch nicht darum herum, etwas über die Grundzüge der Geschichte Rumäniens mit seinen knapp 20 Millionen Einwohnern zu erfahren. Sorin erzählte mir von den grössenwahnsinnigen Plänen des Diktators Ceausescu von 1965 -1989, von dessen Bau des Parlamentspalastes in Bukarest (dem grundflächenmässig zweitgrössten Gebäude nach dem Pentagon), der Bergbau-Vergangenheit und Gipsy-Gegenwart sowie der Resignation der Bevölkerung bezüglich Korruption im Land. Die Korruption sei unter anderem spürbar auf den holperigen Strassen mit zahlreichen Schlaglöchern. Denn ein grosser Teil des Budgets, das für den Strassenbau dienen solle, werde jeweils als Schmiergeld genutzt, um das Bau-Projekt überhaupt zu bekommen. Als ob der Zustand der Strassen und die teils schlechte Signalisation nicht schon genug herausfordernd gewesen wäre, war der Fahrstil einiger Verkehrsteilnehmenden auf Bergstrassen und Innenstädten teils sehr abenteuerlich bis gemeingefährlich.

In zwei Stunden Autofahrt in den Karpaten begegneten wir ca. 15 Bären, die wie diese Familie gemütlich am Strassenrand weilte und sich fotografieren liess.
Die berühmte Steinsformation «Sfinxul» im Nationalpark Bucegi, die mit etwas Fantasie der Sphinx in Ägypten ähnelt.

Auf den rund 5300km Herumgeholpere hatten wir genügend Zeit, uns über kulturelle Unterschiede zwischen der Schweiz und Rumänien auszutauschen. Beispielsweise führte fehlende Umwelt-Sensibilisierung und Müllsammel-Ressourcen zu Littering in Städten und Wäldern. Leicht schockiert war ich, als ich beobachtet habe, dass sich nur Männer untereinander mit einem Händeschütteln begrüssen und anwesenden Frauen nur ein knappes Kopfnicken entgegenbringen. Allgemein beobachtete ich eine sehr traditionelle Rollenverteilung, was mich als Feministin ziemlich herausforderte. Auch die Werbung auf Plakaten war aus meiner Sicht teilweise stark sexistisch, für Rumänen jedoch völlig selbstverständlich. Ich hoffe, die Zeiten ändern sich.

Wie gerne wäre ich mit dem Skateboard die «Transfagarasan» runtergesaust. Doch weder mein Knöchel noch der Asphalt waren im entsprechenden Zustand dafür. (Bild: Internet)
Die Statue des Dakerkönigs Decebalus (ca. 86 bis 106 n. Chr) an der Donau ist 55 Meter hoch und die größte/höchste Felsskulptur in Europa.

Eine Festival-Expertin und ein Newbie am Electric Castle Festival

Bevor ich überhaupt das Line Up angeschaut habe, habe ich Sorins Vorschlag zugestimmt, das viertätiges Festival «Electric Castle» in Rumänien zu besuchen. Ich bin ein alter Hase im Openair-Business, schliesslich habe ich als Radio-Reporterin und auch privat in den letzten 16 Jahren über 40 Schweizer Festivals besucht. So konnte ich es auch kaum glauben, dass jemand im gleichen Alter noch nie an einem Festival war, so wie eben Sorin, wie sich gleich darauf herausgestellt hatte. Soviel vorweg: Wir waren beide begeistert vom Electric Castle.

Ausgerüstet mit Wasserpistolen machten wir das Festivalgelände des «Electric Castle» unsicher und trotzen den heissen Temperaturen.
Freizeitpark der Superlative: Am Electric Castle Festival bei Cluj-Napoca werden alle Sinne angesprochen.

Ich war in vielerlei Hinsicht schlicht und einfach beeindruckt vom Event. Der Begriff «Musik-Festival» wird dem gigantischen Freizeitpark für Gross und Klein nicht gerecht. Auf dem Campingplatz gab es Badminton Plätze, Tischtennis-Tische, ein Volleyball-Feld, eine Hängemattenlandschaft und eine Work Out Zone, wo wir an einem Morgen ein Core&Abs-Training absolviert haben. Es gab ein Riesenrad, Heissluftballonfahrten (nur für E-Raucher:innen, wir mussten also unten bleiben), eine Kinder-Ecke, duzende von lustigen Geschicklichkeitsspielen und sicher gleich viele liebevoll bis kitschig arrangierte Orte, die einzig und allein dem Zweck dienten, gestellte Fotos für Instagram zu schiessen. Cleveres Marketing. Das Food- und Getränke-Angebot war sehr vielseitig, köstlich und, im Vergleich zu Schweizer Openairs, auch bezahlbar, weil halb so teuer. Nun kann ich für ein paar Wochen keine Pancakes mehr sehen.

Musiktechnisch haben mich an Festivals schon immer die kleinen Bands auf Nebenbühnen mehr begeistert als Headliner wie Pendulum, Jamie XX oder Iggy Pop. Die musikalischen Highlights waren das Konzert der deutschen Brassband «Meute», die mit Saxophon, Pauken und Trompeten eingängigen Elektro-Sound spielten. Sowie das Überraschungskonzert von Morcheeba, als sie im Duo mitten auf dem Festivalgelände unter ein paar Bäumen drei Songs performten. Gänsehautmomente. Weitere Highlights waren Tash Sultana, Macklemore, George Ezra (okay, die waren auch auf der Hauptbühne) und ein einige kleine Acts. Angetan war ich nicht nur von der Musik, sondern vom sehr positiven Vibe während des ganzen Festivals. Ich erlebte die Festival-Besucher:innen als sehr respektvoll und freundlich, es gab nirgendwo eine Gedränge oder Saufgelage. Vielleicht lag das auch daran, dass es immer genügend und vor allem saubere Toiletten gab und wir spätestens um zwei Uhr nachts zurück im Van waren und so keinen Alkoholleichen begegneten. So oder so, grandioses Festival, gerne wieder. Nur eine Frage beschäftigte mich noch im Nachhinein: Wie kann es sein, dass es auf dem ganzen Festivalgelände nirgends Oropax gibt? Gehörschutz scheint da ein Fremdwort zu sein.

In Rumänien gibt’s keine nennenswerte Pumptracks. Dafür haben wir auf dem Hin- und Rückweg bei insgesamt sieben Pumptracks Halt gemacht, wie hier in Slovenien in der Pampa.
Nicht nur für Autogaragen liess Sorin seine Kontakte spielen, sondern auch für Action-Programm wie Wakeboarden mit dem Jetski auf einem privaten Baggersee.

Stops bei vier Autogaragen und auf sieben Schrottplätzen

Schon vor der Abfahrt bestellte Sorin verschiedene Ersatzteile wie Keilriemen, Bremsscheiben und -Beläge, Scheibenwischer und Glühbirnen für meinen Nissan Primastar. Durch Kontakte – in Rumänien läuft alles über Kontakte – gleiste er einen Mechaniker auf, der uns gleich nach Ankunft innert kürzester Zeit den Wagen flickte und den Service machte. Da der Van wirklich eine alte Kiste ist, mussten wir dann während der Reise nochmals drei Garagen einen Besuch abstatten. Zweimal, weil etwas mit den Bremsscheiben nicht stimmte und noch ein weiteres Teil ausgetauscht werden musste.

Grosse Auswahl an Ersatzteilen, und am Ende passt doch keines.

Am letzten Tag in Rumänien haben wir festgestellt, dass mittlerweile der Auspuff durchgerostet und fast abgefallen war. Ich war beeindruckt, dass jeweils einzwei Telefonate von Sorin oder seinem Mechaniker-Freund gereicht hatten, um eine Garage in der Nähe zu finden und uns diese bei unserer Ankunft bereits erwartete und freundlich bedient hatten. Weniger erfolgreich waren wir bei der Suche nach neuen alten Stossstangen und anderen Plastikteilen, die beim Van ziemlich verkratzt oder verbeult waren. Trotz gefühlt siebenunddreissig Anrufen und sechs Besuchen auf einem «Schrottplatz», von denen es hunderte gibt in Rumänien mit gebrauchten Ersatzteilen, passte keines zum Auto und genügte unseren Ansprüchen. Das wäre aber reine Kosmetik gewesen. Wabun, wie mein Van heisst, rollt nun wieder ruhig vor sich hin. Und ist bereit für weitere Road Trips. Der nächste kommt bestimmt und bald.

Mein Zürich-Mitbewohner Sorin aus Rumänien und ich sind nach dreieinhalb Wochen Roadtrip immer noch beste Freunde.
Eine von vielen Schluchten, die wir erkundet haben. Danach ging’s meist wieder in eine Grossstadt, was weniger mein Geschmack war.