Nach mehreren Jahren Vanlife und Skate-Trips durch Europa zieht es mich wieder in ein fernes Land auf einem anderen Kontinent: Uganda. Und wenn ich schon mal da bin, gehört natürlich eine Safari mit den Big Five dazu – Gehörschaden, schlaflose Nächte und eine Verfolgungsjagd mit Adrenalinkick inklusive.
Mit ca. 40 kg Skate-Material und 20 kg eigenem Reisegepäck reise ich im Januar 2025 zum ersten Mal nach Uganda. Der Grund: Eine gute Skate-Freundin hat mich zu ihrer Hochzeit in Gulu (im Norden Ugandas) eingeladen. Da sie zusammen mit ihrem einheimischen Ehemann seit drei Jahren ein Skate-Projekt vor Ort leitet, fülle ich meine Gepäckstücke mit Trucks, Decks und Sneakers, die mir Freunde und Unbekannte für das Projekt gespendet haben. Insgesamt stehe ich in Uganda dann doch nur ungefähr eine halbe Stunde auf einem Board – zu viel anderes gibt es in diesem ostafrikanischen Land zu sehen und zu erleben. Es sind zu viele Eindrücke, um alle niederzuschreiben. Deshalb gibt es hier einfach eine Auswahl davon.


Odii, Boda-Boda, Rollex und 150 Dezibel
Zum Frühstück gibt’s «Rollex» – eine Abkürzung für «Rolled Eggs», also in Chapati (einheimisches Fladenbrot) eingerollte Spiegeleier. Dazu frisch aufgeschnittene Ananas und Toastbrot mit Odii, der einheimischen Erdnussbutter, die in der Region Gulu viele lokale Spezialitäten verfeinert. Frische Früchte und Gemüse kaufen wir auf dem Markt, ein «Boda-Boda» bringt uns im Linksverkehr für umgerechnet einen Franken hin und zurück. Bodas sind Motorrad-Taxis, mit denen sich viele Einheimische etwas dazuverdienen. In den 60er- und 70er-Jahren wurden sie als (z. T. Schmuggler-)Taxis zwischen den Grenzen verwendet – also Border-to-Border –, daher der Name. Transportiert werden heutzutage auch Schafe, Hühner, die ganze Familie (bis zu drei Kinder) oder die letzte Plantain- oder Ananasernte. Nur die Hauptverkehrsachsen sind asphaltierte Strassen, und auch diese sind oft in einem sehr löchrigen Zustand oder in regelmässigen Abständen mit Speed-Bumps versehen. In Uganda mit dem Motorrad oder Auto unterwegs zu sein, ist also nicht nur in den Nationalparks eine sehr holprige Angelegenheit.


Musik ist in Uganda allgegenwärtig. Egal, ob in der grossen Markthalle, am öffentlichen Swimmingpool oder in einer kleinen Werkstatt irgendwo auf dem Land – die Afrobeats aus den überdimensionalen Musikboxen dröhnen mir das Gehör weg. Dazu wird im Takt gewippt, lautstark mitgesungen oder auch mal ein Nickerchen auf dem Kartoffelberg des eigenen Verkaufsstands gemacht. Wenn ich mich in «Uganda-Stimmung» zurückversetzen will, spiele ich einfach ein paar Afrobeats-Songs, und schon kommen die Erinnerungen an die unbeschwerte, wenn auch reizüberflutende Zeit zurück.


Co-Working-Space und Bucket-Shower
Allgemein ist die Infrastruktur auf einem sehr tiefen Niveau. Die Gebäude sind ausserhalb der zwei, drei grössten Städte meist nur einstöckig, und die Backsteinmauern sind sichtbar, oft leicht zerfallen. Davon ausgenommen sind Hotels oder der Departementssitz. Je weiter weg von den Ballungsgebieten, desto häufiger sieht man auch die traditionellen runden Hüttchen mit Strohdächern.
Unterwegs zwischen den Nationalparks steht in der Pampa immer wieder ein Brunnen, an dem die gelben Wasserkanister aufgefüllt und danach kilometerweit in der glühenden Sonne barfuss nach Hause getragen werden. Als ich ein paar Tage bei einem Freund in einem kleinen, untouristischen Ort verbringe, muss ich mich zuerst an einen krassen Gegensatz gewöhnen: Einerseits gibt es für fliessendes Wasser nur einen einzigen Wasserhahn im Hinterhof, aus dem nicht immer Wasser kommt. Dort werden verschiedene Kanister fürs Kochen, Abwaschen, Duschen und die Toilettenspülung gefüllt. Andererseits ist das Wohnzimmer wie ein moderner Co-Working-Space eingerichtet – mit Laptop, Screens, Drucker, grosser Musikanlage (war ja klar), gutem WLAN und einer Playstation. Meine Hosts arbeiten im Start-up- und Tech-Education-Bereich. Bei Gemüsebauern sieht das Wohnzimmer wohl anders aus.


Neugierige Blicke für Mzungus
Die Menschen in Uganda sind sehr hilfsbereit und freundlich. Gleichzeitig wahren sie eine gewisse Distanz und sind in Verkaufsgesprächen oder auch am Strassenrand mit ihren Bodas wartend viel weniger aufdringlich als beispielsweise Händler in den Souks von Marokko. Als ehemalige britische Kolonie ist Englisch in Uganda die Landessprache, neben den Sprachen der verschiedenen Stämme. Das erleichtert das Verhandeln auf dem Markt oder das Fragen nach einem vegetarischen Gericht ungemein. Beim Herumspazieren, insbesondere in wenig touristischen Gebieten, werde ich als Europäerin neugierig betrachtet und freundlich gegrüsst. Kinder winken mir verschmitzt oder verlegen zu, und nicht selten entspringt ein lautes, erstauntes «Mzuuuuunguu» ihrem Mund. «Mzungu» bedeutet auf Swahili einfach «Mensch mit weisser Haut» – ganz wertfrei. Lachend winke ich zurück.


Warten gehört in Uganda zum Tagesprogramm. Obwohl, dort wird es wohl eher «sein» genannt, und nur mir als leistungsorientierte Schweizerin kommt das wortwörtlich stundenlange Warten anfangs wie verschwendete Zeit vor. An der Hochzeit über zwei Stunden auf den Pastor und die Familie des Bräutigams warten zu müssen, wäre in der Schweiz unvorstellbar – in Uganda aber keine grosse Sache. Nach der Zeremonie und dem Abendessen tanzen wir zu überlauten Afrobeats ugandische Dancmoves und singen lauthals mit. Am nächsten Tag habe ich keinen Kater, aber trotzdem Kopfschmerzen.

Safari mit skurrilen Fakten aus der Tierwelt
Gemeinsam mit meiner neuen Reise-Freundin Lucie, die ebenfalls zur Hochzeit gekommen ist, geht’s auf eine zehntägige Safari-Tour. Lucie und ich verstehen uns auf Anhieb, teilen während der Reise grosse Mahlzeiten, Betten und persönliche Geschichten – und nach der Reise auch wunderbare Erinnerungen.
Wir engagieren den einheimischen Guide Peter, der seit über zehn Jahren Gäste aus dem In- und Ausland durch die Nationalparks chauffiert. Er stellt uns aufgrund unserer Wünsche ein intensives Safari-Programm zusammen, fährt uns 2300km quer durchs Land, organisiert Unterkünfte und Walking-Tours und erzählt uns während den langen Fahrten vieles über die Kultur und natürlich über die Wildnis von Uganda. Während wir vom Jeep aus den Büffeln, Zebras, Giraffen, Antilopen und Nilpferden beim Grasen zusehen, erzählt er uns skurrile Fakten aus der Tierwelt. Zum Beispiel, dass Nilpferde aufgrund ihrer aggressiven und territorialen Art viel mehr Menschen töten als Löwen. Oder dass Warzenschweine zwar sehr schnell, aber auch sehr dumm resp. vergesslich sind: Sie können einem Löwen problemlos davonrennen – nur um kurz darauf zu vergessen, warum oder vor wem sie geflohen sind, und dann gemütlich zurückzutraben.









Von Elefanten gejagt und von Löwen wachgehalten
Wir besuchen die Nationalparks Kidepo, Kibale, Murchison und Queen Elizabeth und machen eine Wasser-Safari auf dem Nil und auf dem Kazinga-Kanal. Auf den «Game Drives» entdecken wir nebst den berühmten Big 5 (Elefant, Büffel, Löwe, Leopard und Nashorn) ungefähr 70 Tierarten, davon etwa die Hälfte Vögel. Sehr eindrücklich ist die Erfahrung, nachts vom Geräusch grasender Nilpferde und brüllender Löwen aufgeweckt zu werden, die durch die Lodges schleichen. Von Abendspaziergängen wird explizit abgeraten. Wir vertreiben uns die Abende mit «Matatu» spielen. Dieses Kartenspiel mit Pokerkarten erinnert mich stark an unser «Tschau Sepp».


Zu Beginn sind Lucie und ich sehr aufgeregt und jedes einzelne Tier versetzt uns ins Staunen. Zugegeben, nach dem 51. Zebra, dem 89. Elefanten und dem 274. Büffel oder Uganda-Cob lässt die Faszination etwas nach. Da freuen wir uns umso mehr über die unerwartete Begegnung mit einer Hyäne, einem Stachelschwein oder einem Afrikanischen Eisvogel. Stundenlange tuckern wir mit Peter im Schritttempo durch die Nationalparks. Nur ein einziges Mal überschreiten wir die Geschwindigkeitsbegrenzung von 40km/h: Als wir einer wild gewordener Horde Elefanten davonfahren müssen. Zugegeben, sie haben uns mit ihren herausgestellten Ohren und einem Trompetenlaut gewarnt, denn wir bleiben etwas zu lange bei der Herde mit einem Elefantenbaby stehen. Von da an lassen wir ihnen extra viel Platz, wenn sie die Strasse überqueren wollen.
Nach zehn Tagen mit zahlreichen Safaris und einigen (für mich zu) kurzen Spaziergängen um Kraterseen, durch Sumpfgebiete und zu Wasserfällen passt es für mich, dass die Tour zu Ende ist. Täglich fünf bis zehn Stunden ohne Klimaanlage und mit zu wenig Bewegung im staubigen Jeep zu sitzen schlägt Lucie und mir auf die Laune, Elefantenbabys oder frischer Passionsfruchtsaft hin oder her. Umso mehr freue ich mich darauf, bald darauf wieder mit dem Snowboard einen frisch verschneiten Alpenhang herunterzugleiten.
