Alleine als Frau durch Peru: Was ich gelernt, vermisst, dort gelassen und heimgenommen habe

Rein objektiv gesehen war meine Reise durch Peru extrem gefährlich. Nein, nicht wegen des Longboardens auf offener Strasse. Sondern wegen meines Reise-Stils. Wie oft bin ich bei und mit fremden Männern ins Auto gestiegen und zu ihnen nach Hause gefahren? Ohne sie vorher gesehen oder gekannt zu haben. Eigentlich an jedem Ort von Neuem. Und jedes Mal wurde mein Vertrauen in Unbekannte belohnt: mit neuen Freundschaften, mit unvergesslichen (Skate-) Ausflügen, mit Einblicken in die peruanische Kultur.

Annina in Lima
Das letzte Bild mit meinem Longboard am zweitletzten Tag in Peru, hier am Malecón in Lima.

Die peruanischen Longboarder schreiben Gastfreundschaft riesengross! So habe ich insgesamt 40 von 47 Nächten meine Reise bei Einheimischen verbracht. Geskatet sind wir an 18 von 48 Tagen, daneben fast täglich in der City herumgecruised (was wiederum gefährlicher ist, als mit fremden Männern ins Auto zu steigen – siehe unter «irritierend»). Daneben habe ich ein birebitzeli Sightseeing gemacht, als Digital Nomad gearbeitet, Blogs geschrieben, gechillt. Und beobachtet. Und viel gelernt. Hier ein Fazit meiner Reise in Peru.

Das habe ich gelernt:

  • Spanisch zu sprechen – der Kurs davor war die beste Vorbereitung für die Reise
  • Touristen-Attraktionen und Sightseeing sind absolut nichts für mich
  • Die meisten Peruaner haben ihren Fahrausweis gekauft (Hallo Korruption und Strassen-Rowdys)
  • Der Körper weiss, was gut für die Seele ist (ich muss nur noch auf ihn hören)
  • GoPros halten Pitbull-Bissen stand (ein Pitbull hat die Kamera für ein Spielzeug gehalten)
  • Viele Taxifahrer haben einen schlechten Musikgeschmack (Techno oder peruanischer Schlager)
  • Einen geschalteten Töff zu fahren
  • In Spitälern und First-Aid-Centers wird gut zu einem geschaut
  • Genug früh am Flughafen zu sein (1 Inland-Flug verpasst, oups)
Flughafen Cusco
Flug verpasst in Cusco: Drei Stunden und 50$ Zuschlag später kann ich das nächste Flugzeug nach Trujillo nehmen.

Das habe ich in Peru gelassen:

  • Mein Race-Longboard samt Trucks, 6 Sets Räder, 2 Paar Handschuhe, Knieschoner, 2 Helme (verschenkt und verkauft)
  • Meinen Lieblingspulli (am Machu Picchu vergessen)
  • 3 Kilo Körpergewicht (abgenommen, weil viel bewegt)
  • 2 Paar Flipflops (kaputt gegangen und verloren)
  • Ca. 200 GORILLA Sticker – für mehr Uga-Uga in Peru
  • 14 gebrochene Herzen (Achtung: hohe Dunkelziffer)
  • 17 selbstgeknöpfte Freundschaftsbändeli
  • Die Übersicht über Facebook-Bekanntschaften, die ich tatsächlich kenne
Polizei
Die Polizei, der Freund und Helfer der Skater. Solange sie nicht kiffen. Und sie kiffen extrem viel!

Das habe ich nach Hause genommen:

  • 2 Paar Schuhe (Shoppen am letzten Tag)
  • 1 Peru-Pulli und eine Lama-Tasse (sonst keine Souvenirs)
  • Viele unglaublich herzliche neue Freundschaften
  • Knapp 1000 Fotos und 100 GB Go-Pro-Material (jetzt beginnt die Arbeit)
  • 3 neue Tattoos aka. Narben an den Beinen
  • Die Vorfreude, auf weitere Abenteuer in anderen Ländern mit dem Longboard
Motorrad
So ein richtiges Motorrad ist schon was anderes als ein Scooter in Indonesien.

Das war für mich irritierend:

  • Weihnachten in Peru ist wie Silvester in der Schweiz: Warten bis Mitternacht, gemeinsam anstossen und dann Feuerwerk schauen
  • Zur Weihnachts-Deko gehört: Paneton und farbig blinkende Leuchterketten – schrecklich!
  • Rangordnung auf der Strasse: Zuerst Auto, dann Mensch (in der Innenstadt zu skaten ist gefährlicher also mit 80km/h auf einer Passstrasse)
  • Nachts um 10 Uhr gibt es ein Bell/Heul-Konzert der Strassenhunde-Gangs (die sind da eine Plage)
  • Auf 3000 müm ist man erst am Talboden, anstatt auf der Passhöhe
  • Polizisten halten die Skater an, weil sie auf offener Strasse kiffen – skaten ist legal
  • Eine Mahlzeit ohne Fleisch gilt in Peru nicht als Mahlzeit
  • Die Dichte an Bodenwellen ist in Innenstädten unerträglich hoch
  • Im TV läuft NUR Trash: Gossip, Telenovelas und Infotainment
  • Peru ist bekannt für die leckersten Gerichte der Welt – dennoch ernähren sich extrem viele von Fastfood
  • Für Combi-Busse gibt es keine Haltestellen; sie halten, wenn man winkt
  • Familienmitglieder nennen sich nicht beim Namen, sondern beim Verwandtschaftsgrad (Schwester, Onkel, Cousin, Nichte etc.)
  • Da dürfen Schrottkisten rumfahren, die dürften in der Schweiz nicht mal geparkt werden
Sonnenuntergang
Die schönsten Sonnenuntergänge gab’s täglich in Arequipa #nofilter
Unterwegs mit David (einem neuen Unbekannten aka. Freund) und der verbissenen GoPro.

Das werde ich vermissen:

  • Adventszeit ohne Weihnachtsmarkt und Glühwein, dafür im T-Shirt zu verbringen
  • Sonnenuntergänge in Arequipa
  • Täglich einen Mango- oder Ananas-Smoothie für 2 Franken trinken
  • Die tiefen (Taxi-) Preise und darüber zu verhandeln
  • 30km Abfahrt am Stück, bis die Beine wehtun und sich der Kopf dreht
  • All die tollen Leute, die meine Reise bereichert haben
  • Täglich von Freunden und deren Tanten und Cousins geherzt zu werden
Auf der Wanderung zum Machu Picchu wird den Touristen einiges geboten.
Combi Peru
Der Combi-Bus fährt ab, sobald er voll ist, und hält auf Kommando der Fahrgäste oder wenn jemand am Strassenrand winkt.

Darauf freue ich mich in der Schweiz:

  • Wasser aus dem Wasserhahn trinken
  • 14 Uhr heisst 14 Uhr und nicht 15.30 Uhr
  • Klo-Papier ins Klo werfen
  • Handy und Laptop im Cafe unbeaufsichtigt lassen, um sich die Beine zu vertreten
  • Meine Katze Mina (ich bin einfach keine Hunde-Person)
  • Käse: Mozzarella, Greyerzer, Parmigiano, Sbrinz etc.
  • Wieder Zeit mit meinen Freunden zu Hause zu verbringen
  • Snowboarden – und natürlich Longboarden – in den Schweizer Alpen
Die 30km lange Abfahrt in den Colca Canyon gehörte zu den Highlights der Reise.

Kurz: Wie alle Reisen bisher, war auch diese Reise die REISE MEINES LEBENS! Selbst was mich irritierte, hat meinen Erfahrungsschatz bereichert und zur Erweiterung des Horizontes beigetragen. Und die sicherste Art, als Frau durch Peru zu reisen, ist: mit dem Longboard!

«Home is where the heart is.» Meine Heimat: die Schweizer Alpen UND die Anden Perus.